Heizungs- und Lüftungssysteme

Interview mit Axel Oliva vom Fraunhofer ISE: Großwärmepumpen als Schlüssel zur nachhaltigen Wärmeversorgung

FW
Verfasst von Redaktion firmenweb.de
Lesedauer: 7 Minuten
Großwärmepumpe von Siemens Energy
© Frauenhofer Institut - Axel Oliva
Inhaltsverzeichnis
Die Energiewende stellt die Wärmeversorgung vor neue Herausforderungen – und Großwärmepumpen könnten eine entscheidende Rolle dabei spielen. Aber was macht diese leistungsstarken Anlagen aus, und wie integriert man sie in bestehende Fernwärmenetze? Im Reallabor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) wird daran intensiv geforscht. Axel Oliva, Teamleiter im Bereich Thermohydraulik und Wärmenetze, gibt Einblicke in das Potenzial dieser Technologie.
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Hallo Axel, würdest du dich kurz vorstellen?

Axel: Ja, gern. Mein Name ist Axel Oliva. Ich habe Verfahrenstechnik und Energietechnik studiert und arbeite seit 2009 am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Dort leite ich das Team Thermohydraulik und Wärmenetze. Unser Fokus liegt auf der Systemtechnik, Technologieentwicklung und Betriebsführungskonzepten, insbesondere im Bereich der Fernwärme und Großwärmepumpen, speziell auf der Sekundärseite im Zusammenhang mit der Quellenerschließung. Zudem unterstützen wir bei der Konzeption von Transformationsprozessen für Stadtwerke und die Industrie.

In einfachen Worten: Was ist eine Großwärmepumpe, und wie unterscheidet sie sich von den Wärmepumpen, die in Einfamilienhäusern üblich sind?

Axel: Der größte Unterschied ist die Leistung. Während typische Wärmepumpen für Haushalte vielleicht 10 bis 20 kW an Wärmeleistung erreichen, bewegen wir uns bei Großwärmepumpen im Bereich von über 100 kW bis in den Megawattbereich. Diese enormen Kapazitäten sind nötig, um ganze Fernwärmenetze oder größere Gebäude zu versorgen.

Ihr habt dazu am Fraunhofer ISE ein sogenanntes Reallabor ins Leben gerufen. Was bedeutet das genau?

Axel: Ein Reallabor ist eine Forschungsumgebung, die besonders praxisnah arbeitet. Wir entwickeln unsere Technologien also nicht nur theoretisch, sondern testen sie in realen Umgebungen und passen sie an die Anforderungen der beteiligten Unternehmen und Partner an. So können wir sicherstellen, dass die Lösungen auch unter realen Bedingungen effizient funktionieren.

Mit welchen Partnern arbeitet ihr dabei zusammen, und wer ist beteiligt?

Axel: Das Reallabor Großwärmepumpen (GWP) erforscht innovative Lösungen zur optimalen Integration von Großwärmepumpen in das deutsche Energiesystem. Es ist das dritte Reallabor der Energiewende im Forschungsbereich Gebäude und Quartiere. Im Projektverbund arbeiten wir mit namhaften Partnern aus Industrie und Wissenschaft zusammen, darunter die AGFW-Projekt GmbH, die EnBW, das Fraunhofer ISE, das Fernheizwerk Neukölln, die MVV Energie, die Stadtwerke Rosenheim, die Berliner Energie- und Wärme sowie das Institut IER der Universität Stuttgart.

Die Aufgaben des Reallabors umfassen die Installation, den Betrieb und das Monitoring von Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen. Das Fraunhofer ISE übernimmt dabei die Begleitung der systemtechnischen Einbindung und die messtechnische Analyse der Anlagen. Partner aus Forschung und Praxis unterstützen die praktische Umsetzung und Optimierung der Technologie, um einen Beitrag zur Dekarbonisierung und Effizienzsteigerung des Energiesystems zu leisten.

Das klingt nach einem komplexen Projekt mit vielen Beteiligten. Welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten gibt es in diesem Team?

Axel: Im Reallabor Großwärmepumpen arbeiten wir daran, diese Technologie optimal in bestehende Fernwärmenetze zu integrieren. Unsere Aufgaben umfassen die Installation, den Betrieb und das Monitoring der Anlagen. Dabei übernehmen die Fernwärmeversorger die Planung, den Bau und die Inbetriebnahme der Großwärmepumpen an den jeweiligen Standorten, während wissenschaftliche Partner wie das Fraunhofer ISE die systemtechnische Einbindung sowie die messtechnische Analyse verantworten. Ein zentraler Schwerpunkt liegt darauf, die Betriebsweise an die spezifischen Gegebenheiten vor Ort anzupassen – von der Art der Wärmequellen über die Erzeugerstrukturen bis hin zur Lage im Stromnetz. Gleichzeitig untersuchen wir, wie regulatorische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen angepasst werden könnten, um Großwärmepumpen langfristig wirtschaftlicher zu machen. Mit diesen Erkenntnissen wollen wir nicht nur die Effizienz an den Teststandorten steigern, sondern auch übertragbare Lösungen für andere Regionen in Deutschland entwickeln.

Was ist das übergeordnete Ziel des Projekts? Könnten Großwärmepumpen in Zukunft ganz Deutschland mit Wärme versorgen?

Axel: Das Potenzial für den Einsatz von Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen ist definitiv vorhanden und bietet vielversprechende Perspektiven. Unser Ziel ist es, ihren Anteil in diesen Netzen signifikant zu steigern, da sie eine Schlüsseltechnologie für die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung darstellen. Mit ihrer Fähigkeit, erneuerbare Energiequellen effizient zu nutzen, könnten Großwärmepumpen eine zentrale Rolle in der zukünftigen Wärmeversorgung einnehmen – insbesondere in urbanen Gebieten, wo der Bedarf an nachhaltigen und platzsparenden Lösungen besonders hoch ist. Sie ermöglichen es, Fernwärmenetze noch effizienter und klimafreundlicher zu gestalten und damit einen wichtigen Beitrag zur Energiewende zu leisten.

Wie effizient sind diese Großwärmepumpen, und wovon hängt die Effizienz ab?

Axel: Die Effizienz hängt stark von den Temperaturniveaus zwischen der Wärmequelle und der Wärmesenke ab. Grundsätzlich erreichen wir Maschinennutzungsgrade von rund 50 %, was das Verhältnis von theoretisch möglichem zu tatsächlich erreichtem Wirkungsgrad beschreibt. Die Effizienz lässt sich durch die Optimierung der Temperaturunterschiede und die richtige Quellenwahl erhöhen.

Welche Wärmequellen kommen für Großwärmepumpen infrage?

Axel: Es gibt mehrere mögliche Quellen, darunter Umweltwärme aus Oberflächengewässern, Außenluft, Geothermie oder auch Abwärme aus industriellen Prozessen. Die Wahl der Wärmequelle hängt von den regionalen Gegebenheiten und der geplanten Anwendung ab.

Gibt es Wärmequellen, die theoretisch interessant wären, aber aktuell nicht genutzt werden können oder dürfen?

Axel: Ja, aktuell gibt es regulatorische Hürden bei der Nutzung von Wärmequellen wie Oberflächengewässern. Diese können theoretisch als nachhaltige Wärmequelle dienen, jedoch sind rechtliche Rahmenbedingungen noch nicht vollständig geklärt, um eine sichere und effiziente Nutzung zu gewährleisten. Im Rahmen des Forschungsprojekts „FluSeeQ“ arbeiten wir gemeinsam mit Industriepartnern und Verbänden an der Entwicklung neuer Regularien, die eine umweltfreundliche und nachhaltige Nutzung solcher Quellen ermöglichen könnten.

Das ist ein super spannendes Thema mit enorm vielen Facetten. Kannst du uns einen kleinen Ausblick geben – wohin könnte sich das Reallabor und das Thema Großwärmepumpen in den nächsten Jahren entwickeln?

Axel: Das Reallabor hat einen Leuchtturmcharakter, weil wir mit der Förderung der BMWK die Möglichkeit haben, Risiken in der Anfangsphase zu minimieren. Ich bin überzeugt, dass dieses Projekt noch viele Jahre als Meilenstein für die Etablierung von Großwärmepumpen in Deutschland dienen wird.

Stellen wir uns vor, das Reallabor wird ein großer Erfolg. Welche Auswirkungen hätte das für die Energiewende und speziell für Verbraucher, die Industrie und den einzelnen Handwerksbetrieb?

Axel: Ein Erfolg würde bedeuten, dass ein großer Anteil der Wärmeversorgung fossilfrei gestaltet werden könnte, vorausgesetzt, auch die dafür nötige Energie stammt aus erneuerbaren Quellen. Das hätte weitreichende Auswirkungen auf die Umwelt und die Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen. Für den Verbraucher könnte dies langfristig eine sichere und saubere Wärmeversorgung bedeuten.

Vielen Dank, Axel, für diesen spannenden Einblick in die Welt der Großwärmepumpen und die Arbeit am Fraunhofer ISE. 

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